Diesen Januar hat der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz auch mich erreicht, das kam auf zwei Arten – und beide hatten mit der Unmöglichkeit zu tun, der Fassungslosigkeit, die einen im Angesicht des Grauens befällt, einen adäquaten Ausdruck zu verleihen.

Gescheitert ist z.B. Robert Habeck,

über den sich auf X in meiner selbst zusammengestellten, handverlesenen Blase ein veritabler Shitstorm ob seiner Betroffenheitsinszenierung ergoss. Habeck hatte sich von hinten ablichten lassen, wie er mit tief im Designermantel vergrabenen Händen, hochgeschlagenem Kragen einen Laufgang für die Wachen in Auschwitz entlangging und dazu geschrieben, dass man dazu nichts sagen müsse oder so ähnlich. Diese ausgestellte Bescheidenheit wurde ihm – zu Recht, wie ich finde – als chronischer Narzissmus ausgelegt.1

Den Shitstorm habe ich mir eine halbe Stunde angetan, war teils recht vergnüglich zu lesen, weil Wut ja auch Humor produziert. Siehe Titelbild, über das ich herzlich gelacht habe, obwohl Karl Kautabak nur so tut, als wäre er Karl Lauterbach. Ist Satire. Soviel Humor hätte ich Herrn Lauterbach auch nicht zugetraut.

Das Ganze trägt hoffentlich dazu bei, dass die Grünen bei der Wahl so dezimiert werden, dass sie sich in der Opposition komplett durcherneuern können, gerupft, wie sie aus dieser Ampel herauskommen. Die brauchen so etwas wie ein BSW, das ihnen vorexerziert, was ihre Kernaufgaben sind.

Nicht gescheitert ist Jesse Eisenberg mit seinem Film „A Real Pain“,

der mein Film zum Jahrestag wurde.

Ich ging unvorbereitet ins Kino, es war ausverkauft. Der Film handelt von zwei Cousins, die auf den Spuren ihrer geliebten, vor einem halben Jahr verstorbenen Oma nach Polen fliegen. Der Film handelt von der Unmöglichkeit zu begreifen, zeigt aber in vielen Kleinigkeiten, wie das Unbegreifliche in jedem Blick, in jeder Charaktereigenschaft bis in die Gegenwart reicht.

Dabei ist der Film unterhaltsam. Die beiden Cousins sind sehr verschieden, unterwegs kochen hier und da die Probleme, die sie miteinander und aneinander haben, hoch. David (Jesse Eisenberg) spielt den ordentlichen, nervösen Familienvater, der unter Heimweh leidet und in jeder Situation, die ihn überfordert, per Videochat nach Hause telefoniert. Herrlich die Szene, in der sein Cousin Benji (preisgekrönt und oscarnominiert: Kieran Culkien) alle aus der Reisegruppe animiert, mit ihm vor dem Denkmal des Aufstandes im Warschauer Ghetto dieses Denkmal nachzustellen. Nur David, der ständig Angst hat anzuecken, macht nicht mit. Ihm erscheint das ungehörig, was am Ende dazu führt, dass er die Handys aller Beteiligten balancieren muss, um Fotos zu schießen.

Benji dagegen muss immerzu provozieren, eine Gegenmeinung vertreten, wenn er z.B. während der Fahrt in der ersten Klasse nach Lublin versucht, in den übrigen Teilnehmern ein schlechtes Gewissen wegen der Reiseumstände hervorzurufen, weil ihre Vorfahren vor achtzig auf diesen Gleisen in Viehwaggons gepfercht ihrem Tod entgegen transportiert wurden.

Der Film wirkt immer noch nach. Eigentlich ist es eine banale Komödie, dazu ohne Happy End. Aber wie alle gute Komödien zeigt sie die unauflösbare Not, die all die gute Laune kaschieren will.

Mir hat Habecks Fauxpas, der mir am gleichen Tag über den Weg lief wie dieser Film, gezeigt, dass Gedenken, das andere erreichen will, immer die Not des Gedenkenden mit der Situation, mit dem ganzen Thema mitliefern muss. Betroffenes Getue, das nach Terminerledigung aussieht, Worthülsen sind da nicht hilfreich. Ich weiß nicht, wie eine ehrliche Aufnahme von Habeck bei einem Besuch in Auschwitz hätte aussehen müssen, damit sie sowohl dem Gedenktag und dem ganzen Thema gerecht wird, als auch seine Situation transportiert. Ich kann mir einen ehrlichen Habeck im Moment nicht vorstellen.

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  1. paar Ausschnitte: spaceloop23: „Der Kandidat der Judenhass-Import Partei inszeniert sich in Auschwitz, lässt sich ablichten … Er, der Israel die Lieferung von Verteidigungswaffen gestrichen hat, während die Hamas Babys ermordete. Ihr Grünen seid jeden Tag menschlich noch etwas unerträglicher…“ oder Kazimierz Krzysztof: „Nächste Station Gaza Streife. Ich wünsche Sie eine Inspiration aus Polen. Wir sind auch Untermenschen jetzt wenn wir wahlen jemand wer ist nicht ihre liebling Spieler.“ Und noch ein anderer: „Was wollen Sie in Auschwitz? Judenverfolgung, Hetze gegen Juden könnten Sie jeden Tag in Berlin live erleben. … Scheint Sie aber nicht besonders zu interessieren…“ oder der Lotosritter: „Ach, der süße Wuschel-Knuddel, da schreitet er einsam zwischen Stacheldraht durch eine Lagergasse, hinter ihm sein Hoffotograf, und er sinniert über … … über? Ja, was denn? Über die grünen Hühner, die ihm gestern seine Kanzlerschaft per Selfie weggekichert haben.“ ↩︎