„Die Selbstgerechten“, in dem sie ihren Heiligen Zorn zeigt. Es gibt nichts Schöneres als Heiligen Zorn. Er kommt nämlich aus dem Wissen.

Der für mich schönste Ausbruch des Heiligen Zorns ist immer noch Wilhelm Reichs „Rede an den kleinen Mann“, das sich gerade heute in Zeiten der ungehemmten Hassbotschaften wieder ganz erfrischend liest. Aber auch Mai-Thi Nguyen-Kim, wenn sie über die Homöopathie spricht, ist nah am Heiligen Zorn.

Und jetzt Sahra Wagenknecht über die Lifestyle-Linken. Die Selbstgerechten. Ich glaube nicht, dass die ein völlig neues Phänomen sind. Meine erste Assoziation, die ich aus meiner Kindheit bzw. Jugend kenne, ist der Salonbolschewist, der allerdings nie die linken Parteien gekapert hatte, wie es der Lifestyle-Linke heute tut.

„Was den Lifestyle-Linken … so unsympathisch macht, ist seine offensichtliche Neigung, seine Privilegien für persönliche Tugenden zu halten …“, schreibt sie.

Jaaa, das klingt gut, das lese ich gerne, da freue ich mich über die geschliffenen Formulierungen einer Frau, die sicher auch keinen allzu bescheidenen Lebensstil pflegen muss, aber das macht ja nichts. Neid ist eine Todsünde.

Ich glaube auch nicht so recht, dass sie mit ihrem Buch die Leute erreicht, deren Vernachlässigung sie den Gescholtenen vorwirft, die wahrhaft Armen und Benachteiligten. Aber auch das macht nichts. Denn sie erreicht mich. Ich habe meine Freude an ihren Ausbrüchen und den treffenden Florett-Stiche(leie)n:

„…eine moralisch unantastbare Haltung zu zeigen ist für ihn (den Livestyle-Linken) wichtiger, als seine Anliegen auch umzusetzen“.

Oder:

„Weder die Gendertheorie noch die vielen Gleichstellungsbeauftragten haben verhindert, dass es vor allem Frauen waren, die in den neuen Niedriglohnsektor abgedrängt wurden, …“

Und so hält sie sich konsequenterweise auch mit Gendersternchen nicht auf. Ein Vorbild eben. Sie will ihren Punkt machen, und das tut sie.

Also: das Buch ist eine Empfehlung meinerseits. Zauberhaft, wie sie den Sieg der Online-Kämpfer gegen Knorr bei der Abschaffung des Begriffes „Zigeunersauce“ und deren Umbenennung in „Paprikasauce Ungarischer Art“ der gleichzeitigen Verschlechterung des Tarifvertrages für die Beschäftigten bei Knorr gegenüberstellt. „Anders als die Zigeunersauce“ hatte all das allerdings nie … für einen Shitstorm der sich links fühlenden Twittergemeinde gesorgt.“

Also wenn man sich mal so recht über die sich ihren CO2-Ausstoß abkaufenden (weil sie es sich leisten können), Fair-Trade-Mokka-schlürfenden, passiv-aggressiven Sprachpolizist*innen aufregen will, ist man bei Sahra absolut richtig.