Angst vor Inflation – nicht so sehr die Bürger, die werden von sowas ja immer eher überrascht. Aber die Presse spricht darüber, wie schon 2009. Nein, das stimmt nicht. Die Bürger haben auch Angst, … berichtet die Presse.

Wenn es danach geht, dass die Staaten überschuldet sind und das x-fache an „Geld“ existiert, gehortet wird, in Umlauf ist, als man dafür Waren und Dienstleistungen kaufen kann, dann ist eine Inflation schon lange unvermeidlich.[1] Und sie passiert ja auch, unmerklich. Die großen (und auch die kleinen) Vermögen suchen händeringend nach werthaltigen Anlageformen. Immer noch ist das Gold dabei. Erstaunlicherweise.[2] Dann Kunstwerke, weil man hofft, dass sich irgendwann ein Blöder findet, der noch mehr dafür bezahlt. Der irrsinnige Derivatehandel. Und natürlich Grundstücke. Da ist schon ein bisschen der Wahnsinn ausgebrochen. Aber ansonsten …

haben wir abwechselnd Angst, dass sich a) 1923 oder b) 1929 wiederholt.

Beide Katastrophen sind sicher eng miteinander verbunden, haben aber m.E. nur wenig mit heute zu tun.

1923 ist eh spezifisch deutsch. Das Land hatte zwar durch die ständige Geldentwertung im Vergleich zum Rest der Welt gute Wirtschaftsentwicklungen (auf dem Weg zum Exportweltmeister schon damals 😉), aber die Kriegsanleiheschulden und die Reparationslasten drückten, der Franzose hatte das Ruhrgebiet besetzt, man versuchte, durch alle möglichen Geldschöpfungen alle zu bezahlen, was nur zur Folge hatte, dass jegliches Vertrauen in die Mark im Ausland und zuhause verlorenging. Vermutlich steckte staatlicherseits auch ein bisschen oder ganz viel Kalkül dahinter, weil man sich halt durch Geldentwertung entschulden kann.

1929 war nun ganz anders. Und 1929 wäre m.E. auch derzeit die größere Gefahr gewesen. Damals platzte eine Blase, ähnlich wie 2009, Kredite fallierten, weil die hinter ihnen stehenden Sicherheiten den Bach runtergingen, aber statt die Wirtschaft und die Menschen mit Geld zu versorgen, hat man den Geldhahn zugedreht (besonders in Deutschland), sicher aus Angst, dass sich 1923 wiederholt. Man dachte damals noch, Geld müsse einen realen Wert haben, Stichwort Goldstandard.

Das hat man doch heute besser gemacht. Menschen, Firmen, deren Einkommen durch die Pandemie wegbrachen, wurden mit Geld versorgt, Insolvenzen vermieden und wenn wir alle geimpft sind, dann kann es irgendwie weitergehen. Es wird Pleiten geben, selbstverständlich, die Organisation hätte besser sein können, aber ein solcher deflationärer Zusammenbruch wie 1929 scheint umschifft worden zu sein.

Natürlich werden die Preise steigen. Der Friseur hat mir drei Euro mehr pro Schnitt angekündigt.

Aber eine Hyperinflation sehe ich nicht kommen. Ich sage das ohne jegliche Gewähr. Bloß was soll denn zu einer Inflation führen, einer bedrohlichen meine ich, wenn die Leute und die Firmen einfach mit dem nötigen Geld versorgt werden, um ihre normalen Bedürfnisse zu befriedigen.

Schlimmer wäre es doch, wenn (mangels Geldversorgung) die Lieferketten zusammenbrechen würden. Dann würde ggf. zu viel Geld auf zu wenig Angebot treffen, das treibt die Preise.

So, nachdem ich mich mit diesem Blogbeitrag selbst beruhigt habe, gehe ich mir erstmal den kommenden Picasso kaufen. Wenn ich bloß wüsste, wer das ist.

 

 

[1] Die Geldmenge im engeren Sinne (M1) betrug 2015 28,6 Billionen USD, im weiteren Sinne (M2) waren es 80,9 Billionen USD. Da sind „Vermögen“ aus absurden Finanzprodukten wie Derivaten nicht enthalten. Das weltweite Bruttosozialprodukt betrug 2015 um die 75 Billionen USD. Passt doch, könnte man sagen. Da müsste man jetzt noch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes dazu nehmen, um zu sehen, ob die Geldmenge stimmt oder zu viel ist. Die Umlaufgeschwindigkeit für M1 schwankte in den USA zwischen 5 und 10, für M2 lag sie nicht höher als 2. Ist schon zu viel Geld.

Das Problem sind die absurden Finanzspekulationen mit Derivaten, die offenbar mindestens das Zehnfache der Geldmenge ausmachen. Und da das dort gebundene Vermögen immer wieder auch „Geld“ werden kann, stellt es natürlich ein Problem dar. Aber das überschaue ich nicht. Der Punkt ist doch: solange „wir alle“ auf unseren Fondanteilen usw. brav sitzenbleiben, tut man niemandem weh. Die Illusion von Vermögen bleibt erhalten.

[2] So. Bauchgefühlstatistik: Ich wollte jetzt sagen, wie der Goldpreis durch die Decke gegangen ist. Mittlerweile kostet eine Feinunze (31,1 g) mehr als 2.000 € … oh, Bauchgefühltäuschung … 1800 Dollar. Der Goldpreis ist gefallen. Und am witzigsten finde ich die Statistik bei Wikipedia, was man über die Jahrhunderte für ein Gramm Gold kaufen konnte (das heute also ungefähr 58 Dollar kostet).

Anno 1900 gab es dafür anderthalb Kilo Butter, heute sind es zwanzig Kilo. (Kostet ein Kilo Butter 2,90 Dollar? In Amerika vielleicht!) Butter ist in Goldgeld also wesentlich billiger geworden.

1900 waren es 12 Kilo Brot, heute sind es nur neun Kilo; Brot in Gold aufgewogen ist mithin teurer geworden.

1900 bekam man umgekehrt für einen Dollar 1,5 Gramm Gold, heute noch 0,02 Gramm. Das hieße für die Kombi aus Brot- und Goldpreisstatistik: 1900 bekam man für einen Dollar (12 kg Brot x 1,5 Gramm Gold) 18 Kilo Brot und 2020 gab es für einen Dollar (9 kg Brot x 0,02 Gramm Gold) 180 Gramm Brot. Das ist Inflation.

Ein Hundertstel Brot für einen Dollar in 120 Jahren.

Der Brotpreis ist von fünfeinhalb Cent pro Kilo auf fünfeinhalb Dollar pro Kilo gestiegen. Sind das 10.000%? Für 120 Jahre. Bei einer ständigen jährlichen Inflation von 2% wäre der Brotpreis bei 58 Cent pro Kilo nach 120 Jahren gelandet. Bei 3% wären es schon 1,85 Dollar pro Kilo Brot. Bei 4% jährlicher Inflation landen wir nach 120 Jahren bei 5,85 Dollar pro Kilo. Das heißt, dass für das Brot über 120 Jahre eine durchschnittliche Inflationsrate von ca. 4% „geherrscht“ hat. Aber wie können 4% pro Jahr in 120 Jahren (4×120=480!) zu 10.000% führen? Hier könnte sich ein fabelhafter Diskurs zum Zinseszins-Effekt anschließen und warum Negativzinsen absolut in Ordnung sind, bei gleichzeitiger Bodenreform natürlich. (Ich unterstütze absolut die grüne Initiative, diesen schwachsinnigen Einfamilienhausbau zu unterbinden. Aber das ist ein anderes Thema.)

 

Quellen:

Weltweites Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2025 | Statista

(Umlaufgeschwindigkeit des Geldes – Wikipedia)

Weltweites Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2025 | Statista

Wie viel Geld es auf der Welt gibt (xing.com)

Optimismus sinkt: Goldpreis mit schwachem Jahresstart: Sind die goldenen Zeiten vorbei? | Nachricht | finanzen.net

Geldentwertung: Jeder Zweite hat Angst vor Inflation – Wirtschaft – Tagesspiegel