Immer wieder habe ich während der Lektüre gedacht: das scheint mal ein Leben zu sein, mit dem ich meines gerne getauscht hätte. Kommt nicht oft vor, dass ich das denke.

Und es ist schade, dass so ein Leben am Ende überschattet, geradezu überlagert wird von, wie’s aussieht, an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen.

Aber Woody scheint es gut wegzustecken,

was mich sehr freut. Ich an seiner Stelle wäre nicht so entspannt. Gott schenke ihm noch paar schöne Jahre und vielleicht auch paar gute Schauspieler, die sich nicht in die Hose machen, weil die Arbeit mit ihm ihrer Karriere schaden könnte.

Da er, wie er sagt, ganz gut klar käme, selbst wenn er nie wieder einen Film machen könnte, soll es mir recht sein, wenn es das war. Es gibt genug Woody-Allen-Filme. Ich habe sie bei weitem nicht alle gesehen. Und so einmal alle zwei Jahre einen Woody-Anfall werde ich mir leisten. Gerade eben habe ich mir Stadtneurotiker und Matchpoint, zwei seiner Highlights, wieder voller Freude angesehen.

Die Autobiografie ist wie seine Filme:

sehr unterhaltsam. Und fast wäre sie ohne das Drama mit Mia ab einem bestimmten Punkt langweilig geworden. Was soll man auch erzählen, wenn man jedes Jahr einen Film macht.

Und so waren das die interessantesten Passagen – seine Kindheit und Jugend und sein Hineinbohren in die Szene der Stand-up-Comedians, eine harte Schule, die er da durchlaufen hat – und dann halt diese wirklich abstruse Geschichte mit Mia Farrow (die ich nur kenne, weil sie in seinen Filmen mitgespielt hat). Sie steht jetzt bei mir da als wirklich böse Hexe, die ihre Adoptivkinder böse behandelt und eben am Ende instrumentalisiert hat auf ihrem Rachefeldzug gegen ihn. Ich muss zugeben, dass ich voller liebevoller Vorurteile bin, was Woody anbetrifft. Aber seine Darstellungen sind ziemlich plausibel, und ich glaube ihm. Ich habe da keine Misstöne gefunden, die mich hätten zweifeln lassen.

Wenn manchmal etwas genervt hat, dann ist es seine

ausgestellte Bescheidenheit

bezüglich seiner Fähigkeiten als Filmemacher und als Klarinettenspieler. Das ist ihm zu oft „rausgerutscht“, was dann erstaunlicherweise etwas narzisstisch wirkt. Aber sei‘s drum. Es hat dem Lesegenuss keinen Abbruch getan.

Er beherzigt die Regel Cut to the chase. Er ist amüsant. Er ist lakonisch. Er behauptet ein Misanthrop zu sein. Er liebt die Großstadt und hasst die Natur, zumindest wenn er gezwungen wird, sich darin längere Zeit aufzuhalten. Und er schließt mit dem wunderbaren Satz: Statt in den Köpfen und Herzen der Menschen würde ich lieber in meiner Wohnung weiterleben. Ja. Einer der besseren letzten Sätze.

Und dann folgen in der gedruckten Ausgabe noch zwei weiße leere Blätter und ein rotes leeres Blatt und das war’s. Keine Danksagungen (die sind ausreichend im Text untergebracht), keine Werbung (Kunden, die das gelesen haben, lasen auch …), kein Nachwort.

Danke, Woody, auch dafür. Bleib gesund. Und wenn es soweit ist eines Tages, fall halt einfach tot um.