Mit einem Freund war ich Anfang der Achtziger in Dresden zu einer Hochzeit, wir haben bei meinem Onkel übernachtet. Wir beide waren eher pro DDR, mein Onkel absolut kontra. Meine Eltern hatten mir deshalb, als ich noch jünger war, nahegelegt, bei Familienbesuchen nicht über Politik zu diskutieren.

Aber meine Eltern waren weit, und wir zwei Jungspunde diskutierten mit dem Onkel die halbe Nacht, unter anderem darüber, was das sein solle mit dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan.

Wir wussten uns nicht anders zu helfen als darauf zu verweisen, dass Afghanistan immerhin an der Grenze zur Sowjetunion liege, während die USA für ihren Vietnamkrieg fast auf die andere Seite des Globus fliegen mussten, und dass die afghanische Regierung die Sowjetunion um Beistand gebeten hätte, wie man als junger Mensch halt so diskutiert, um hinterher das Gefühl zu haben, dass man es dem anderen ordentlich gegeben hätte. Ich glaube, mein Onkel fand uns eher amüsant.

Das ist jetzt ungefähr vierzig Jahre her.

Und das Land war seitdem immerzu in den Nachrichten, mit Meldungen über Kämpfe gegen lokale Warlords, über Stammeskämpfe, und seit zwanzig Jahren mit den Meldungen über einen halbherzigen Militäreinsatz, der nichts gebracht hat. Warum? Was interessiert uns dieses Land so sehr, dass wir dauernd glauben, es retten zu müssen? Der alte Kampf zwischen Briten und Russen um die Vorherrschaft in Zentralasien kann es doch nicht mehr sein, oder?

Sollen „sie“ (also wir) die Afghanen doch in Ruhe lassen, habe ich immer gedacht. Was hat der Krieg gegen den Terror gebracht außer Millionen Toten, destabilisierte Länder wie Irak, Libyen, Afghanistan und zigtausende gestörte Ex-Soldaten. Und natürlich so traumhafte Serien wie Homeland, die aus der furchtbaren Not ein Spektakel machten.

Nun haben die Taliban, die es zu Beginn des sowjetischen Einmarsches noch nicht einmal gab, wieder das ganze Land unter ihrer Kontrolle und werden sich einen Dreck um Frauenrechte und Bildung für Mädchen scheren, Köpfe und Hände abhacken im Namen des einen großen Gottes, von dem sie glauben zu wissen, wer es ist. Sie glauben auch genau wie wir, dass sie das Richtige tun. Wobei sie dabei wahrscheinlich von deutlich weniger Selbstzweifeln angefressen sind als wir.

Ich frage mich, was mein Onkel heute zu der ganzen Aktion sagen würde. Ich kann ihn nicht mehr fragen. Er hat von seinem geliebten Westen nicht mehr viel gehabt. Geändert hat sich, dass ich den Einsatz der Sowjets nicht mehr verteidigen würde. Aber an dem, was die Amerikaner schon damals dort verzapft haben, kann ich auch nichts Gutes finden.