Eine Stelle in meiner derzeitigen Lektüre1
hat mich angefasst, und ich frage mich, was das über meinen Gemütszustand aussagt.
Der Hauptheld, Christopher, geht auf einem englischen Adelssitz spazieren und begegnet an einem kleinen Teich einem Angler, den er jeden Tag dort beobachtet. Er beschließt ihn anzusprechen.
„Und? Beißen sie heute?“
Der Mann schüttelt den Kopf. „Nein.“
„Tut mir leid das zu hören. Auf was kann man denn hier hoffen? Hechte? Barsche? Forellen?“
„Kann ich nicht sagen.“
„Was fangen Sie denn an einem normalen Tag?“
„Nichts.“
„Überhaupt nichts?“
„Nein, hab hier nie einen Fisch gesehen noch einen gefangen.“
„Oh“, Christopher fühlte sich von diesem Geständnis entmutigt. „Wie lange kommen Sie denn schon hierher?“
„Fünf Jahre?“
„Und nicht ein Fisch?“
„Nicht mal ein Fischchen.“
„Großer Gott! Das scheint mir eine … vergebliche Liebesmüh zu sein.“
Der Mann dachte darüber nach, dann zuckte er mit den Schultern. „Das ganze Leben ist vergebliche Liebesmüh, wirklich, wenn man so darüber nachdenkt.“2
Das las ich während einer der befriedigendsten Tätigkeiten, die ein Mensch ausüben kann, dem Loslassen, wie ein Esoteriker vielleicht sagen würde, und ich dachte:
Ja, so ist es.
Es entmutigte mich nicht, es stürzte mich nicht in eine Schwermut. Der Gedanke erleichtert mein Sein. Wenn alles vergebliche Liebesmüh ist, dann kann ich doch entspannt nichts tun. Oder irgendwas tun.
Ich empfinde Angeln von vornherein als eine sinnlose „Tätigkeit“. Es wirkt wie eine Rechtfertigung für stundenlanges Rumsitzen vor sich selbst und den eigenen inneren wie äußeren Beobachtern. Die Angel macht es nicht besser oder schlechter.
Deswegen ist Loriots Sketch mit dem Mann, der einfach nur sitzen will, so genial traurig-lustig. Seine Frau als der Inbegriff der mütterlichen Beobachterin will ihm eine metaphorische Angel in die Hand drücken, weil sie ihn nur sitzend nicht ertragen kann.
Der Angler in diesem Buch ist wie Loriots Mann in dem Sketch, nur dass der Angler das Glück hat, keine Frau zu haben oder ihr auf diesem Weg jeden Tag zu entkommen.
Auch ich könnte nur sitzen oder nur laufen. Aber ich höre dabei einen Podcast, lese eine Online-Zeitung, schreibe etwas, als würde es etwas bedeuten.
Vergebliche Liebesmüh. Coe benutzt das Wort futile.
Aber dauernd angeln ohne Aussicht auf einen Fisch?
Nett geschrieben…im Verständnis eines eigenen Anglerdaseins Super 👍