Also ich bin ein schwankendes Rohr im Wind. Ich neige hierhin und dorthin. Ich kann viele Menschen in mein Herz schließen, metaphorisch selbstverständlich und im Rahmen meiner Möglichkeiten. Ich umarme gerne, aber kurz, auch Bäume.

Ich kann Donald Trump mögen

und denken, vielleicht ist es doch so, dass er Probleme anpackt, an die sich andere nicht herantrauen, z.B., dass es doch nicht gut sein kann, alle Industrie und alle Fertigung auf die asiatische Werkbank zu verlagern, und dann im Ernstfall ohne Medikamente dazustehen. Das habe ich schon Anfang der Neunziger gedacht, als die Reste aller Textilindustrie in Ostdeutschland verschwanden.

Und das, obwohl ich ihn, Trump, natürlich für eine ästhetische Zumutung halte, weniger wegen des Aussehens als wegen des schmerzlichen Gefühls, dass da ein kleiner Junge zu mir spricht, der genau weiß, dass ihn alle für bescheuert halten, der aber gelernt hat einfach weiterzumachen.

Ich kann Björn Höcke mögen.

Wenn ich die peinlichen Versuche des öffentlich-rechtlichen Staatsfernsehens beobachte, ihn vorzuführen, dann fliegt ihm mein Herz zu. Und er ist ein intelligentes Bürschchen. Die lächelnde Attitüde, die er sich zugelegt hat, um all die Beleidigungen auszuhalten, die ihm entgegenschlagen, rührt mich. Und er spricht viele Probleme an, bei denen ich auf seiner Seite stehe. U.a. die großen Containerschiffe, die sinnloses Plastespielzeug über die Weltmeere schippern, das dann hier als blinkender und brabbelnder Dreck die Kinderzimmer vollstellt und lauter kleine Messies heranwachsen lässt. Da müsste er sich doch mit Habeck/Baerbock verständigen können. Oder wenn er aufzählt, was unsere Politiker so für Berufe haben (nämlich keine) und den Begriff der verbrauchten Parteien kreiert. Selbst seinen Schachzug, den Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens zu machen, hielt ich für sehr gelungen. Habe herzlich gelacht. Warum hatten sie dann nicht den Arsch in der Hose, das Ding durchzuziehen?

Oder Roman Polanski.

Ich werde mir seinen Film „Intrige“ ansehen, trotzdem er vor Jahrzehnten Sex mit einer 13-jährigen hatte. Und obwohl ich als alter weißer Mann mich nicht zu diesem Thema äußern sollte. Ich bin hin- und hergerissen zwischen weiblichen Meinungen zu diesem Thema, deren ich mich versichere; am einen Ende des Bogens Fanny Ardant, der die ganze Political Correctness total auf die Nerven geht und die weiter zu ihrem Freund Roman hält, verkürzt wiedergegeben, und dem Wutausbruch der Autorin Virginie Despentes wegen der Verleihung des César an Polanski für die beste Regie, die eine Verschwörung der reichen alten weißen Männer sieht, die nur ihr Geld und die damit verbundene Macht feiern. Beides zu finden auf spiegel-online.

Allerdings sind die dazu veröffentlichten Fotos auch ungerecht: hier die lebenslustige, freundliche Ardant, die sich keinen Genuss versagt, wie sie behauptet; dort die verbittert, verheult und übernächtigt schauende Despentes. Wenn ich die in mein Beuteschema pressen sollte, würde ich mich nach der Ardant verzehren, mir die Despentes aber eher zutrauen. Nicht dass es eine von Beiden interessieren würde. Habe eben meine Frau gefragt, die Beide nicht kannte. Ardant hält sie nach dem Foto für eher konservativ, die Despentes für ein Wesen, das sich herumschubsen lässt.

Ich mag Franziska Schreiber,

deren Hörbuch „inside AfD“ ich mir reingezogen habe, und die Höcke für einen verunsicherten Schuljungen hält, der sich in keine nicht kontrollierbaren Situationen begibt, und auch niemals nach einer Rede eine Diskussion zulässt, und der nicht wirklich frei lächeln kann, nur – interpretiere ich – ironisch-distanziert, wo die Mundwinkel das Lachen festhalten und verhindern. Ihr jugendlicher Enthusiasmus und die Sachlichkeit, mit denen sie ihre Vermählung mit der AfD und ihre spätere Befreiung beschreibt, haben mich berührt.

Ich mag Bodo Ramelow, wahrscheinlich weil er so solide und altväterlich aussieht. Ich mag Angela Merkel, weil ich glaube, dass sie ordentlich ackert, bisschen hilflos ist, wenn sie das erklären soll, aber aus der gegebenen Lage schon das Beste herausholt.

Ich liebe aber auch Henryk M. Broder,

der kein gutes Haar an ihr lässt, weil ich ihn um seinen heiligen Zorn und die Fähigkeit, ihn kontrolliert und pointenreich auszudrücken, beneide. Er hat mir mein dumpfes Unbehagen beim Anblick von Frank-Walter Steinmeier so herrlich ironisch erklärt, dass ich ihm mehrere Lachflashs verdanke. „Das ist ja irre“ heißt das Buch.

Was macht man mit so viel sich scheinbar ausschließender Zuneigung?

Am besten genießen, wahrscheinlich. Oder mich darüber freuen, dass ich mich nicht dauernd für eine Seite entscheiden muss, weil ich kein Politiker bin und auch keiner Partei angehöre, nicht mehr, Gott sei Dank, die mich als Verräter beschimpft und am Ende gar bedroht.