Ich als alter weiser(!) Mann habe gestern nach dem Tatort Anne Will geguckt und muss zugeben: die alten weißen Männer in Person des deprimiert und besoffen guckenden Wolfgang Kubicki und des Schoßhündchens der Kanzlerin Peter Altmaier haben verkackt. Sahra Wagenknecht und Alice Weidel sind als Siegerinnen vom Platz gegangen, wobei letztere dafür nicht mehr tun musste als ironisch-überlegen zu lächeln, was ihr mittlerweile ziemlich gut gelingt. Kevin Kühnert ist ohne größere Blessuren davongekommen, war aber gefährdet, sobald er sich gezwungen sah, seine Partei zu erwähnen.

Es steht ein Machtwechsel an, der weiter reicht als bloß ein altersbedingter Austausch des Personals.

Aber das ist Demokratie. Haltet es aus. Redet miteinander. Bleibt friedlich und stellt euch gegen Gewalt.

Der Kemmerich hätte den Posten, da er ihn nun schon einmal angenommen hatte, auch ausfüllen sollen. Ich meine: wozu sind diese Abgrenzungen gut? Ein Viertel der Wähler hat der AfD ihre Stimme gegeben, damit ist sie eine demokratisch gewählte Partei per definitionem. Und man kann mit ihr koalieren oder in die Opposition gehen. Vor zwanzig Jahren wurden von derselben CDU die Brandmauern zur PDS hin gezogen. Die fallen gerade in sich zusammen.

AfD-Wähler sind viele enttäuschte bürgerliche Wähler. Das sind keine Nazis, genau so wenig wie das meiste Spitzenpersonal. Trotz mancher Auseinandersetzung diesbezüglich bleibe ich auch, was Herrn Höcke betrifft, bei dieser Einschätzung.

Das Parlament ist eine Widerspiegelung des Volkes, sollte es zumindest sein. Mit der AfD drängt ein ignorierter Teil an die Macht, der Vielen nicht gefällt, der aber da ist.

Manchmal glaube ich, dass das Parlament sogar eine Widerspiegelung meiner eigenen inneren Verfasstheit ist. Auch ich bin ein bürgerlicher linker Grüner, der manchmal Angst vor Überfremdung hat.

Gerade der Tatort vor Anne Will, in dem es um albanische Bandenkriminalität im Hamburger Rotlichtmilieu ging, hat die AfD in mir geweckt. Wenn schon kriminelle Rotlichtviertel, dann doch nicht die blutrünstigen Albaner, sondern ehrenvolle versoffene Deutsche, die im Notfall selber hingehen, wo es weh tut. Also nicht ich. Ich bin im Nachkriegsdeutschland zu einem sensiblen Weichei geworden und auch zu alt mich zu ändern.