Ich bin ein sogenannter Stammwähler. Dieses Jahr habe ich das Gefühl, es geht um was. Ich kann nicht einfach gedankenverloren mein Kreuz an der immer gleichen Stelle machen. Also schaue ich auf meinen Stimmzettel und frage mich: wer sind diese Leute, deren Namen mir angeboten werden, die ich wählen soll, die für mich in den Bundestag einziehen und Entscheidungen treffen werden. Welchen Berufsgruppen gehören sie an? Haben sie schon mal was Vernünftiges gearbeitet (was gscheits gerbet, wie mein Vater zu sagen pflegte)? Wovon haben sie Ahnung? Das Ergebnis einer sehr groben Recherche ist ernüchternd, um nicht zusagen erschreckend.

An der Art der Auswahl unserer Bundestagskandidaten ist was faul.

Ich bin wahlberechtigt im Wahlkreis 76, das ist Berlin Pankow. Für die sechs Parteien, die es wahrscheinlich in den Bundestag schaffen werden, sind inklusive Direktkandidaten 32 Personen auf dem Stimmzettel vermerkt.

Davon sind neun (also 28%) Juristen.

Nun ist Jurist nicht gleich Jurist, und zwischen Thomas Heilmann von der CDU, der eher cleverer Unternehmer als Jurist ist und einem Staatsrechtler und Verwaltungsjuristen wie Klaus-Dieter Gröhler (ebenfalls CDU) besteht sicher ein großer Unterschied. Aber es sind Volljuristen, wie es so schön heißt. Die denken an vielen Stellen schon anders als „normale“ Menschen, denke ich. Es sind drei Frauen darunter: Renate Künast von den Grünen, Beatrix von Storch und Birgit Malsack-Winkemann von der AfD. Alle haben sie ihr Scherflein dazu beigetragen, dass Deutschland ein Rechts(anwalts)staat ist und bleibt.

An zweiter Stelle stehen mit sieben Kandidaten (22%) Politikwissenschaftler.

Der bekannteste ist Kevin Kühnert, der sein Studium, in das er sich (angeblich) reinklagen musste, noch nicht einmal beendet hat.

Juristen und Politikwissenschaftler bilden also 50% der mir zur Wahl angebotenen Kandidaten.

An dritter Stelle stehen jetzt nicht etwa Handwerker oder Mediziner oder Mitarbeiter der Bahn oder sonst etwas, nein. An dritter Stelle stehen Menschen, die Volkswirtschaftslehre studiert haben, auch mal in Kombination mit Politikwissenschaft.

Wir sind also mittlerweile bei ca. 66%, also zwei Drittel, eine verfassungsändernde Mehrheit, die nie in ihrem Leben was „Vernünftiges“ gearbeitet haben, keine Erfinder, keine Ingenieure, keine Ärzte, nix.

Es sind bisher 21 Kandidaten und die einzige Quote, bei der sie gut sind, ist die Geschlechterverteilung. Von diesen 21 Kandidaten sind immerhin neun Frauen, was 43% entspricht, noch nicht perfekt, aber nahe dran.

Den vierten Platz teilen sich … Spannung steigt … mit jeweils drei Kandidaten … die Germanisten und die Lehrer.

Da ist die Frauenquote bei fünf von sechs. Das ist doch toll. Lehrer sind wichtig, aber oh Gott – keine von den drei Lehrerinnen hat je als eine gearbeitet. Am schönsten sind solche Dinos wie Petra Pau und Gesine Lötzsch. Müssen nicht Menschen, die alle sechzehn Jahre mit Merkel im Bundestag verbracht haben, nun auch mal raus an die frische Luft? Der einzige Mann in der Riege ist Götz Frömming von der AfD, bei dem der Name Programm zu sein scheint.

Juristen, Politikwissenschaftler, Volkswirte und Germanisten/Lehrer machen zusammen 85% der mir zur Wahl gestellten Kandidaten aus.

Der Rest verdient eine namentliche Erwähnung:

Helin Evrim Sommer von den Linken ist Dolmetscherin. Aber sie hat – Hilfe!!! – danach Sozialwissenschaften und Geschlechterstudien/Gender Studies studiert. Das ist für sich genommen nicht schlimm, wahrscheinlich sogar ehrenwert, aber im Gesamtbild wächst sich das zu einer Katastrophe aus. Jetzt sind wir schon bei 87,5%.

Michael Müller von der SPD, Sie erinnern sich – noch ist er Regierender Bürgermeister von Berlin – hat mal in der Druckerei des Vaters gearbeitet und Bürokaufmann gelernt. Aber kann ich ihn irgendeiner anderen Richtung als der des Berufspolitikers zuschlagen? Wohl kaum. Außerdem zieht der doch nur noch fürs Gnadenbrot in den Bundestag.

Wir sind bei 90,6% der Pankower Kandidaten, die nur immer in den sogenannten weichen oder in gar keinen Berufen gearbeitet haben.

Der dritte ist Klaus Mindrup, studierter Biologe … Hurraaaa!!! Ich nehme es vorweg: ich habe ihn und wegen ihm SPD gewählt. Er hat als Gutachter und Entwickler gearbeitet. Er ist in Wohnungsbaugenossenschaften aktiv, wo es um stabile Preise und Mitspracherecht der Bewohner bei Sanierungen geht. Er war im Bundesverband für Windenergie. Er hat diesbezüglich auch schon einiges auf die Beine gestellt.

Dann haben wir noch Gottfried Curio, studierter Physiker, Mathematiker und Musiker. Das finde ich mal gut, auch wenn er für die AfD antritt. Habe mir drei Reden von ihm angehört. Blöd ist der nicht.

Und an letzter Stelle in meiner Liste steht noch ein Offizier der Bundeswehr, Georg Pazderski, auch für die AfD. Immerhin.

Kein Meister Röhrich, kein Edward Snowden, nicht mal ein Bergdoktor.

Ich will mit dieser Kolumne nicht die Integrität und die Professionalität oder den guten Willen des Einzelnen in Frage stellen.

Aber statt darum zu streiten, ob wir auf den Listen immer abwechselnd eine Frau und einen Mann brauchen (was zweifellos in Ordnung, aber auch weitgehend durchgesetzt ist), sollten wir uns fragen, ob im Bundestag die Gesellschaft wirklich repräsentiert ist. Und die Antwort ist für Pankow definitiv: nein.

Was wir brauchen, ist eine Quote für Berufsgruppen,

meinetwegen gesellschaftliche Organisationen. Der Anteil der Volljuristen, Germanisten, Politikwissenschaftler und BWLer an den Abgeordneten des Bundestages ist zwingend auf 5% aller Abgeordneten zu begrenzen. Die dürfen dann darauf achten, dass es nicht zu viele Kommafehler in den Gesetzen gibt.