Eines meiner Grundprinzipien ist: immer aus dem Mustopp kommen. Gerade beim Lesen. Irgendein Buch ist totally en vogue. Mir läuft es zehn Jahre später über den Weg. Oder hundert Jahre später wie letztens beim Stillen Don. Aber dann gibt es auch wieder Bücher, da fühle ich mich vor dem Wind. Sahra Wagenknecht zum Beispiel. Die Selbstgerechten spricht mir schon vom Titel her aus der Seele. Bin gerade bei der Frage, was Einwanderung und hemmungslose Globalisierung mit den Menschen so macht.

Und da passiert dann plötzlich etwas in mir, das mich erschreckt. Ich fühle mich an Thilo Sarrazin erinnert. Irgendwie entstehen bei mir im Lesen ähnliche Gefühle. Solche „Recht hat er/sie“-Gefühle. Und dann denke ich: was beide verbindet, ist nicht nur, dass die Lektüre ihrer Bücher ähnliche Gefühle in mir auslösen, sondern dass beide auch von ihren Parteien mehr oder weniger radikal abgestoßen werden/wurden.

Unmittelbar darauf entsteht die Frage, ob die klassischen Parteien sich nicht überlebt haben, weil sie selbstgerecht nur noch mit der Bespiegelung ihrer ewig gleichen Positionen beschäftigt sind und jeden in die Tonne treten, der sich davon in irgendeine Richtung entfernt.

Ich habe „Deutschland schafft sich ab“ gelesen und mir extra ein Kindle dafür angeschafft, damit in der S-Bahn niemand sieht, was ich da lese. (Habe ich mit „Feuchtgebiete“ auch so gemacht.) Und ich fand es gut. Ich bin nicht der Meinung, dass jemand ein Rassist ist, nur weil er Unterschiede zwischen verschiedenen Volksgruppen sieht und benennt, und die Probleme darstellt, sie sich daraus ergeben. Ich denke schon lange, dass die SPD mit der Abstoßung von Thilo sich keinen Gefallen getan hat (in der Wählergunst – in der Bewahrung des parteiinternen Milieus wahrscheinlich schon), und dass die kreischende Art, mit der sie ihn in die rechte Ecke gestellt haben (Gesicht zur Wand! Und erst wieder umdrehen, wenn ich es sage!), mit der Schwäche der SPD zu tun hat.

Und genau so wird es den Linken gehen, wenn sie Wagenknecht nicht aushalten können.

Liebe Genossinnen und Genossen, überlasst die Angst vor zu viel Einwanderung nicht den Rechten. Das ist nämlich auch ein bisschen bequem.

Nicht so bequem wie ich selbstverständlich, der im Grunde alles anderen überlässt – außer das eigene Leben vielleicht, aber auch das … na gut, anderes Thema.

Ich meine nur: wenn ihr im Herbst über das 5%-Stöckchen springen wollt, dann vergrault nicht die Sahra. Sie hat da nämlich ein wichtiges Thema am Wickel.